112. Exkurs zum Sicherheitstraining - ein persönlicher Bericht

 

Ich hatte ja geschrieben, dass ich noch konkreter über das Sicherheitstraining berichten möchte, an dem wir Ende Oktober teilgenommen haben.

 

Es ist keine Pflicht für Freizeit-Segler oder Langfahrer, aber durch Freunde, die das Training gemacht haben, sind wir neugierig geworden und hatten uns deshalb schon vor Jahren entschieden, den Kurs zu besuchen. Durch diverse Terminkollisionen und zuletzt Corona musste unser Kurs dann immer weiter verschoben werden. Zum Schluss war es schon fast ein running Gag zwischen uns, diesen Kurs zu verschieben.

 

Jetzt sind wir also wirklich unterwegs nach Elsfleth. Im Programm stehen unter anderem Erste Hilfe an Bord, Feuerbekämpfung, Leckage-Bekämpfung und Sicherheit auf See.

 

Teilnehmer werden dazu ermuntert, neben ihrem üblichen Ölzeug ihre eigenen Rettungswesten mitzubringen und so haben wir unsere Schnäppchen-„Kauf 2 zum Preis von 1“-Rettungswesten mit im Gepäck, die wir uns zum Anfang unserer Seglerkarriere auf der „boot“ zugelegt haben, als wir uns zum ersten Mal mit unserer Leisure 17 auf die Flensburger Förde wagten.

 

Ich reise ohne wirklich klare Vorstellungen an. Nur der Teil mit dem Hallenpooltraining, den wir von unseren Freunden bereits beschrieben bekommen hatten, ist mir bekannt. Ich weiß, dass die technischen Möglichkeiten dieses Trainings beeindruckend sind: dass Wellen, Wind, Sturm und Helikopterschub erzeugt und tiefschwarze Nacht und Gewitterblitze simuliert werden können. Dass die Teilnehmer im Wasser häufig an ihre Grenzen kommen, durch Angst oder Anstrengung oder Kälte. Primär ist mir im Gedächtnis, dass das Wasser bei unseren Freunden sehr kalt war. Der Punkt machte mir große Sorgen, da ich zu der Fraktion Taucher gehöre, die selbst in Ägypten mit 7mm und Eisweste taucht und trotzdem friert. Außerdem habe ich Angst, dass mir in der Rettungsinsel übel wird. Und ich habe etwas Sorge, ob ich die ganze Session überhaupt konditionsmäßig durchhalte, daher habe ich seit Anfang September jeden Tag Konditionstraining gemacht. Dass ich in Panik oder Angst ausbreche, glaube ich dagegen nicht. Als Taucher bin ich es gewohnt, mit dem Kopf unter Wasser zu sein und ich weiß, wie man sich in Wellen bewegt.

 

Das Seminar beginnt mit einem Rundgang. Im Hallenbad angekommen, liegt die Rettungsinsel ruhig im Wasser. Das Mock-up eines Helikopters steht an der Seite, das ist aber kein Teil unseres Trainings, sondern für Offshore-Arbeiter gedacht. An einer Seite ist eine hohe Plattform. Später werden wir als Simulierung einer Helikopterrettung aus der Rettungsinsel auf diese Plattform gewinscht werden.

 

Dann startet eine kleine Vorführung der Anlage. Die Fenster mit sonnigen Blick auf die Hunte werden verdunkelt, die Wellenmachine wird angeschmissen, einige der horizontalen Windmaschinen laufen an und verbreiten ohrenbetäubendes Getöse. Dann kommen noch Wassersprüher, Lichtblitze und die vertikale Windmaschine dazu. Letztere simuliert den Helikopter. In dem recht kleinen Becken (8 x 25m, meine ich) können bis zu 1,5m-Welle produziert werden. Durch die Beckenwände gibt es eine entsprechend konfuse See.

 

Dann fahren die Maschinen wieder herunter und das Tageslicht wird wieder eingelassen. Respekt. Das wird ein Spaß. Ich muss mir wirklich überlegen, was ich am Sonntag Morgen frühstücken werde.

 

Beim Seminarteil Signalmittel bekommt jeder Teilnehmer nach der Theorie eine Magnesiumfackel in die Hand. Das ist das wirklich Spannende an diesem Lehrgang. Zum ersten Mal halte ich eine brennende Handfackel hoch und bekomme wirklich ein Gefühl dafür, wie ich damit umzugehen habe. Das gleiche Erlebnis habe ich beim Seminarteil „Feuerbekämpfung“. Klar weiß ich in Theorie, wie ein Feuerlöscher zu bedienen ist. Hier lösche ich zum ersten Mal wirklich ein Feuer, lege einer brennenden Puppe eine Decke um. Außerdem wird uns vorgeführt, wie ein Fettbrand funktioniert und was passiert, wenn eine Deodose explodiert. Die armen Anwohner, die jedes Wochenende diesen erderschütternden Knall erleben.

 

Der Seminarteil Erste Hilfe an Bord ist ein weiteres Highlight für uns, und das liegt zu 100% am Dozenten, der eine echte Marke ist und das Thema wirklich sehr praxisgerecht angeht. Zur Veranschaulichung schnürt er sich auch mal den Arm ab, bis kein messbarer Puls mehr da ist. Zudem ist er nebenbei auch noch dem technischen Tauchen zugehörig und dadurch für uns doppelt interessant.

 

Als das Thema Rettungswesten in den beiden Seminargruppen diskutiert wird, kann ich bei der Frage nach der Ausstattung unserer Westen nur mit den Achseln zucken. Ich weiß weder mit Sicherheit, ob sie mit Licht, Reflektoren oder Sprayhood ausgestattet sind noch wie die Form der Auftriebskörper ist. Andere Teilnehmer reagieren ähnlich auf die Fragen und es wird schnell klar, dass viele das Thema Rettungswesten nicht ausreichend betrachtet haben. Man muss es an Bord haben, fertig. Dass Rettungsweste nicht gleich Rettungsweste ist, werden Freddy und ich direkt in den ersten Minuten im Wasser erleben.

 

Auch die Ausstattung von Rettungsinseln wird besprochen. Anhand von einem Negativ- und einem Positivbeispiel (gar nicht so unterschiedlich im Anschaffungspreis) wird mir klar, dass ich mich hiermit noch so gar nicht befasst habe. Der einzige Grund für uns, in eine Rettungsinsel zu steigen, ist Feuer, das alle drei Rümpfe zerstört. Bisher sind wir der Meinung, dass es eine günstige Lösung werden kann. Jetzt ändern wir unsere Meinung, als wir die Qualitätsunterschiede sehen. Wie das vorgeführte Negativbeispiel überhaupt ein zugelassenes Rettungsmittel sein darf, ist mir schleierhaft.

 

Im Laufe des ersten Tages kommen immer wieder Themen und Übungen, die uns in das Hallenbad führen. Für die nervöseren in unserer Gruppe ist dieses schrittweise Herantasten an das Hallenbad sehr willkommen. Die erste Übung im Wasser ist dann eine Bergungsaktion. Einer aus unserer Gruppe geht ins Wasser, die anderen holen ihn mit verschiedenen Methoden wieder „an Bord“. Nach nur fünf Minuten klappern dem Kollegen im Wasser bereits die Zähne. Okay. Seine Empfehlung an uns ist eindeutig: alles unterziehen, was wir dabei haben, wenn es ins Wasser geht.

 

Ich bin kurz davor zu mogeln, indem ich mir einen Neopren unter das Ölzeug ziehe. Aber im Endeffekt geht es ja auch darum, die Erfahrung zu sammeln, wie es sich anfühlt, mit dem „normalen“ Alltagsölzeug im Wasser zu sein. Ich mogele dann so halb und ziehe mir einen warmen Fleece-Anzug, den ich beim Trockentauchen benutze, unter das Ölzeug. Der wäre ja theoretisch auch die Option beim Segeln, wenn es wirklich kalt ist. Der Haken an dieser Sache: das Wasser hat 24°C, ist also gar nicht sooo kalt. Nie im Leben würde ich beim Segeln bei diesen Temperaturen einen dicken Fleece unter das Ölzeug ziehen.

 

Beide Gruppen sollen einen Skipper bestimmen, der sowohl im Wasser als auch in der Rettungsinsel die Aufgaben verteilt. Ich schlage natürlich Freddy vor. Der allerdings schlägt mich wiederum vor und die beiden anderen Herren aus unserer Gruppe finden die Idee eines weiblichen Skippers auch gut. Ich höre mir an, was meine Aufgaben sein werden: beim Einstieg in die Rettungsinsel muss ich dafür sorgen, dass sich die Leute gleichmäßig verteilen. Beim Abbergen mit dem Helikopter ist es meine Aufgabe, den Rettungshaken aus dem Wasser zu fischen und ihn dann unter Kontrolle zu halten. Ich selbst werde zuletzt abgeborgen. Wenn sich die Gruppe im Wasser fortbewegen muss, dann bin ich an der Spitze der Raupe und gebe die Kommandos zum Arme heben und senken.

 

Sonntag früh bin ich beim Frühstück im Hotel sehr vorsichtig und esse nur ein mit Butter bestrichenes Brötchen. Auf Kaffee, Orangensaft, Obst, etc. verzichte ich lieber. Ein paar Minuten später stehen wir in voller Montur am Beckenrand.

 

Wir starten mit einer Extra-Übung: jeder steigt allein in die Rettungsinsel und versucht, eine 70kg schwere Puppe an Bord zu ziehen. Vom Beckenrand werde ich lautstark angefeuert, während ich ziehe und zerre. Hätte ich mich nicht selbst in diesen blöden Bändseln verheddert, wäre es auch etwas schneller gegangen. Ich schaffe es, breche der Puppe allerdings vermutlich ein Bein. Shit happens.

 

Nach dieser ersten Übung springen wir vom Beckenrand aus ins Wasser. Meine Rettungsweste löst nur sehr eingeschränkt aus, ich muss manuell nachpusten. Alles noch kein Drama. Größeres Drama ist, dass ich das Gefühl habe, langsam herauszurutschen. Der Nacken wird nicht gut gehalten, der Kopf liegt sehr flach, die Auftriebskörper rutschen hoch und schließen sich fast über meinem Gesicht. Im Flachwasser mag das noch gehen, bei Welle nicht mehr. Unser Kursleiter sieht seinen Verdacht bestätigt. Wir entscheiden, dass wir noch die ersten Wellen abwarten, zur Not wird auf eine Leihweste gewechselt.

 

Als die Wellenmachine angeschaltet wird, bildet sich unsere Gruppe zu einer Raupe: das ist die Art und Weise, wie man sich im Wasser fortbewegen sollte. Ich gebe die Kommandos zum Arme heben und senken, während ich von meiner eigenen Weste unter die Wasseroberfläche gedrückt werde. Meine Kommandos kommen entsprechend gegurgelt, aber wir ziehen ein paar Runden durch das Becken durch. Als wir uns in einem Kreis zur „Ruheposition“ zusammenschließen, nutze ich die Gelegenheit und gebe Bescheid, dass ich gern auf eine Leihweste wechseln würde. Zusammen mit mir löst sich auch Freddy aus der Gruppe. Ich habe ihn während der Übungen gar nicht beobachten können, aber bei ihm ist der Effekt wohl aufgrund seines Gewichts noch viel heftiger als bei mir.

 

Zurück im Wasser geht es mit der neuen Weste doch deutlich besser. Allerdings merke ich in der Ruheposition so langsam die Kälte, aber alles noch im aushaltbarem Rahmen.

 

Einer nach dem anderen wird aus unserer Gruppe herausgezogen und schwimmt zur Rettungsinsel, die über Kopf am anderen Ende des Beckens treibt. Jeder dreht die Rettungsinsel allein um und klettert anschließend hinein. Dann wieder heraus und zurück zur Gruppe. Ich mache diese Übung als letztes und soll dann direkt in der Rettungsinsel bleiben, während die anderen nochmal einsteigen.

 

Das Drehen der Insel funktioniert ganz gut. Beim Versuch einzusteigen merke ich aber, dass ich keine Ahnung habe, wie das für mich funktionieren soll. Mit Kraft bekomme ich es nicht hin, über Technik für kleine Menschen haben wir nicht gesprochen. Große Kerle wie Freddy nutzen ihren Hebel… ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie ich es zum Schluss geschafft habe. Vermutlich hatte der Sicherungstaucher im Wasser neben mir Mitleid und hat mir einen Schubs gegeben. Ich nehme mir vor, hierzu die Technik zu erlernen und das zu üben.

 

Als wir alle in der Rettungsinsel sitzen, wird das Dach zugezurrt und sie lassen uns ein paar Minuten bei Dunkelheit, Regen, Sturmgeräuschen und Blitzen treiben. Diese paar Minuten reichen mir und meinem Magen. Es ist ein extremst ekliges Gefühl, in dieser Wabbelblase zu sitzen. Dann schlägt mir auch noch so ein von der Decke baumelndes Bändsel genau ins Auge. Ich konzentriere mich auf Freddy, der mir gegenüber sitzt, während mir das Auge tränt und warte auf die Rettungstaucher.

 

Nach ein paar Minuten hören wir Stimmen von draußen und dann klopft es auch schon und der Reißverschluss des Einstiegs wird geöffnet. Etwa 4-5 Meter von uns entfernt leuchtet der Lichtkegel des Suchscheinwerfers. Unsere Aufgabe ist es jetzt, mit der Rettungsinsel zu dem Rettungshaken zu kommen, der vom Helikopter ins Wasser gelassen wird. Zusammen mit zwei anderen Seglern paddele ich wie wild mit den Händen im Wasser und wir bewegen uns in Schneckentempo auf den Haken zu. Das krasse ist: das machen wir bei jeder einzelnen Person erneut. Solange unsere Herren noch an Bord sind, lasse ich diese paddeln und helfe nur etwas alibimäßig mit. Aber als sie von Bord sind, geht das nicht mehr. Die letzten zwei Runden heule ich fast vor Anstrengung, während dieser verdammte Haken knapp außerhalb meiner Reichweite einfach nicht näher kommen will.

 

Dann bin ich endlich selbst an der Reihe und werde vom Rettungstaucher eingeklinkt. Während ich hochgezogen werde, knallen mir Wind und Regen ins Gesicht und ich muss feststellen, dass man echt nicht bequem hängt. Ich bin sehr froh, dass es nur auf ein paar Meter Höhe geht und ich sehr schnell auf die Plattform gezogen werde. Oben gebe ich mir ein paar Sekunden zur Beruhigung meines Gleichgewichtsinns, bevor ich die Treppe herunterklettere. Langsam ist mir auch ordentlich kalt und ich bin jetzt doch sehr einverstanden damit, diese Session zu beenden. Leider habe ich die letzte Übung vergessen. Wir springen nacheinander noch einmal ins Becken und schwimmen durch die Wellen an die andere Seite, wo eine Jacobsleiter auf uns wartet. Das Schwimmen durch die Wellen geht recht gut, wenn man sich dem Rythmus der Wellen anpasst. Auch fällt mir der Aufstieg mit der Jacobsleiter deutlich leichter als in die Rettungsinsel und ich komme problemlos wieder an Land.

 

Während ich mich aus meinem Ölzeug und der Weste schäle, sehe ich gerade noch, wie Freddy ohne Rettungsweste wieder ins Wasser springt. Er möchte testen, inwieweit ihn seine Klamotten unter Wasser ziehen würden. Dafür ist es mir aber inzwischen zu frisch, ich will jetzt wieder in trockene Klamotten. Die nassen Sachen werden direkt in einen Industrietrockner geworfen und sind am Ende des Kurstages wieder trocken.

 

Wir hatten uns im Vorfeld überlegt, nicht direkt nach Kursende noch nach Hause zu fahren, weil wir uns vorstellen konnten, dass man echt groggy ist. Deshalb verbringen wir noch einen entspannten Abend in Elsfleth mit einem leckeren Essen in einem Restaurant mit Blick auf die Hunte. Wir diskutieren über die Technik, die ich für die Rettungsinsel erlernen muss und denken uns Notfallmechanismen für unser Boot aus. Zum Beispiel, dass bei „Mann über Bord“-Alarm sofort über eine Sprengkapsel eine Rettungsinsel hinterhergefeuert wird. Ist aber alles noch nicht zu Ende gedacht :-)

 

Einige paar Tage später hängt bei uns im Wohnzimmer bereits eine von Freddy aus Gurten zusammengenähte Strickleiter an der Wohnzimmerdecke und ich teste, wie ich mich hier am besten hochziehen kann. Außerdem shoppt Freddy für wenig Geld eine abgelaufene Rettungsinsel bei eBay. Die Idee ist es, diese im Sommer in unseren Tauchervereinsteich zu bringen und dort das Ein- und Aussteigen zu testen. Kommt bestimmt auch beim Vereinssommerfest gut an, z.B. bei den Kiddies. Nach Ratschlag von Freunden werden wir das Aktivieren aber außerhalb des Wassers machen, da die Aktivierung einer Rettungsinsel wohl immer mit sehr viel Talkumstaub verbunden ist und das wollen wir nicht im Wasser schwimmen haben.

 

Jau, zusammengefasst ein sehr horizonterweiterndes Wochenende, dieses Sicherheitstraining.